Holi in Jaipur

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Bin heute eigentlich früh aufgewacht, aber trotzdem nicht früher aus dem Bett gekommen – egal dachte ich mir, Holi dauert eh den ganzen Tag – ein Gedanke, der sich dann später als Fehlannahme herausstellen sollte. Nach dem Frühstück musste ich mir überlegen wie ich denn das Holigewand anziehen soll, denn der Bund der Hose ist für Leute gedacht, die viele Kilo mehr mit sich herumschleppen. Also habe ich die Badeshort über die Holihose angezogen, erstens damit diese hält und zweitens hatte ich dann Hosentaschen, in die ich Handy und Geld einstecken konnte, und Rucksack wollte ich keinen mitnehmen.

Als ich mich dann auf den Weg machte, fragte ich mich, ob das Fest hier nicht überbewertet wird. Zum einen hatte ich ein auffälliges, und für die Inder vielleicht auch lächerliches Gewand an, und außerdem war auf der Straße nichts los und alle Geschäfte geschlossen. Nach dem Durchqueren des Ajmeri Gate habe ich dann ein paar Stände gesehen die Farbe verkaufen und einige Personen auf Motorräder, die schon Farbe im Gesicht hatten und trötend durch die Straßen fuhren.

Zwar hatte ich heute an den Sonnenschutz gedacht, aber es war bewölkt und es begann dann auch noch ein wenig zu tröpfeln – irgendwie sah ich den Tag langsam den Bach runtergehen, An einem Straßentempel stand ein Pickup mit feiernden Indern darauf und Musik aus der Box spielend – ein paar Inder erblickten mich und schmierten mir Farbe in den Bart (dort hält diese aber nicht, wie ich im Laufe des Tages mitbekommen habe).

Ich begann dem Verkehr zu folgen und kam am Jantar Mantar vorbei (natürlich geschlossen) so zum Parkplatz vor dem City Palace – hier war dann schon viel mehr los. Dort gönnte ich mir einen Chai, kam dabei mit einem schon schön rot eingefärbten Inder ins Gespräch, der ebenfalls einen Tee trinkend mit seinem kleinen Sohn auf seine Frau wartete, die er im Trubel verloren hat.

Ich folgte dem Strom der Menschen, wobei mir schon einige Male mit vielen gegenseitigen „Happy Holi“-Wünschen Farbe ins Gesicht geschmiert wurde, zu einem anderen Ausgang vom Parkplatz (einer führt zum Jantar Mantar, einer zum City Palace, einer zum Hawa Mahal und beim vierten, durch den ich jetzt ging, habe ich keine Ahnung wo er hinführt). Dort konnte man auch Futter für ebenfalls nicht ganz von der Farbe verschonten Kühe kaufen und die Dichte der Bettlerinnen (gut genährt) war auch im Zunehmen.

Vor einem Tor (entweder ein Seiteneingang zum City Palace oder einem Tempel) staute sich die Menge ein wenig.. Nach ein paar Minuten des dort wartens, kamen laut feiernde Personen durchs Tor und „die Party ging ab“. Es wurde getrommelt, getrötet, geschrien, getanzt, mit Farbe geworfen und jedem Farbe auf den Kopf geworden, der gerade da war. Das ganze dauerte so 20 Minuten, bis die Polizei begann das ganze aufzulösen (warum werde ich wohl nie erfahren). Die Menge löste sich langsam auf und es wurde am Parkplatz noch ein wenig nachgefeiert, aber die Dynamik, nicht aber die Fröhlichkeit, war draußen.

Nach einem weiteren Chai, bei dem ich mit ein paar Indern aus Delhi ins plaudern kam, begann ich wieder durch die Straßen zu spazieren, wo noch vereinzelt Holi gefeiert wurde, aber so richtig viel war nicht los. Da ich durstig wurde und ja nicht viele Shops offen waren, ging ich zum Café gegenüber vom Hawa Mahal – welches am Nachmittag, da die Sonne seitlich/hinten steht nicht ganz so fotogen ist – und fand zu meiner Überraschung einen Platz, denn Touristen waren viele zu sehen. Nachdem ich dort eine halbe Stunde (oder war’s eine Stunde?) auf mein Lassi gewartet habe (viel trinken wollte ich nicht, da auch die Toilettenanlagen geschlossen waren), spazierte ich wieder zum City Palace. Dort war ich dann fast alleine und es ist mir so bewusst geworden, wie heruntergekommen der Platz eigentlich ist. Es fällt nicht so auf, wenn der Platz vollgeparkt ist und man sich seinen Weg durch die Touristen, Rikscha-Fahrer und Bettler bahnt. Da nun außer ein paar Kindern, die Cricket spielten, fast niemand da war, kam dieses typische Indienfeeling zurück (eigentlich ist das Gebäude schön … gewesen).

Ich ging dann am frühen Nachmittag durch eine annähernd unbelebte Stadt – ich rede von Jaipur und jeder der schon dort war, wird das als undenkbar empfinden. Der Coronavirus ist hier sicher nicht schuld, denn die Feier davor wäre der Grauen jedes Virologen gewesen. Manschen, die sich gegenseitig ins Gesicht fassen, Hände schütteln und umarmen – in Europa wohl aktuell undenkbar.

Ein Motor-Rikschafahrer hat mich dann überredet zum Elephant-Village bei Amer zu fahren. Dort angekommen konnte ich einen großen Platz mit zwei verloren wirkenden Elefanten sehen. Sofort wurde ich vom „Betreuer“ der Elefanten begrüßt und dieser versuchte mich zu belehren, warum die Haltung von Elefanten in Rajasthan so viel teurer ist, als in Sri Lanka, Thailand, usw. Meine Geduld mit seinen Ausführungen war bald zu Ende, denn als er mir erklärte, dass heute keine Elefanten hier wären, weil man schon so früh mit dem Schmücken fürs Holi-Fest angefangen hat, aber jeder Elefant am Tag 250 kg Futter benötigt und die alle schon so müde sein (alles so durcheinander), hatte ich der Lügen genug. Die Elefanten bei Amber werden alle touristisch genutzt (Touristen auf das Fort hochtragen) und dafür wird brav abkassiert – und dafür werden sie, soweit ich mich erinnern kann, jeden Tag geschmückt. Nahrung für Elefanten gibt es in keinem Land gratis (auch wenn es Dschungel gibt) und die touristische Nutzung, inkl. Zucht und darauf folgende brutale Abrichtung, ist mittlerweile mehr als umstritten. Natürlich gibt es auch tiergerecht gehaltene Elefanten – hier in Rajasthan sicher nicht.

Dem Fahrer war das ganze denn unangenehm und er brachte mich noch zur Zufahrtsstraße der Festung Amer (Amber) – die Festung ist und bleibt einfach genial gelegen (leider kam das Sonnenlicht von hinten und am Foto ist nicht viel zu erkennen). Während der Fahrt sind wir an zwei (scheinbar schweren) Verkehrsunfällen vorbeigekommen – der Fahrer fuhr immer extrem langsam um die Verletzten sehen zu können – ich war froh, dass bei einem Unfall eine Hecke davor war und beim Andern, wo ein SUV mit gebrochener Achse stand und dahinter Motorräder im Straßengraben zu sehen waren, einige vernünftige Inder, die Straße abgesperrt hatten. Ein Stopp beim Jal Mahal (Wassertempel) war dann auch noch drin. Vor dem See des Jal Mahal befindet sich mittlerweile eine Flaniermeile, die auch gut besucht war (von Holi war aber nichts zu sehen). In den Fahrzeiten versuchte er mich immer wieder zu überreden einen Textilshop, Silberhändler (Ringe), Ledergeschäft u. ä. zu besuchen – vergeblich. Beim Bezahlen des ausgemachten Preises (eh gut für ihn) erklärte er mir noch wie schlimm die Situation mit der Schule seines Sohnes sei – etwas, dass ich ihm auf das Wort glaubte, denn das Schulsystem Indiens ist mir nicht so ganz unbekannt.

Da ich mich nicht beim Hotel, sondern bei einem der Stadttore habe absetzen lassen, spazierte ich wieder zurück zum Hotel – außer mit Farben bemalten Gesichtern (wie ja auch meines) und Farbklecksen am Boden, war keine Spur des Holi-Fests mehr zu entdecken. Mein Glück war, dass mich ein Instikt zum richtigen Ort geleitet hat und ich auch zum besten Zeitpunkt dort war – ein guter Tag, auch wenn es nicht immer danach ausgesehen hat.

Nach einer langen Dusche – ich hatte das Gefühl die Farbe überall zu haben und das Wasser hat auch so ausgesehen – bin ich wie die beiden Tage zuvor ins Moti Mahal gegangen um diesmal Mattar Paneer zu essen … und es war wieder sehr gut. Leider ist dies mein letzter Abend hier und ich kann die ganzen anderen Gerichte, die ich so gerne probiert hätte, nun nicht mehr bestellen – und auch die Freude des Besitzers, der an der Kassa sitze, wird mir abgehen.

An der Hotelbar habe ich denn meinen 4-Bier-Gutschein eingelöst (sind eh nur kleine Flaschen), während es heftig zu gewittern begann – solange es in der Nacht schüttet soll es mir ja egal sein – nur morgen Vormittag hätte ich dann gerne bitte wieder schönes Wetter.


10. März 2020